Deniz Ohde: Streulicht, suhrkamp

Industrieschnee markiert die Grenzen des Orts, eine feine Säure liegt in der Luft, und hinter der Werksbrücke rauschen die Fertigungshallen, wo der Vater tagein, tagaus Aluminiumbleche beizt. Hier ist die Ich-Erzählerin aufgewachsen, hierher kommt sie zurück, als ihre Kindheitsfreunde heiraten. Und während sie die alten Wege geht, erinnert sie sich: an den Vater und den erblindeten Großvater, die kaum sprachen, die keine Veränderungen wollten …

Ottessa Moshfegh: Heimweh nach einer anderen Welt, Liebeskind

Storys wie Nadelstiche, die tief unter die Haut gehen. In ihren preisgekrönten Erzählungen schafft Ottessa Moshfegh ein groteskes Panorama menschlicher Bos- und Dummheit. Ein gewaltiges Vergnügen – bis man merkt, wie nah das alles an der Realität ist, und einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Ottessa Moshfeghs Figuren haben etwas Beunruhigendes, Unheilvolles an sich. In einer Art dynamischem Stillstand verharren sie zwischen ihrer …

A. G. Lombardo: Graffiti Palast, Antje Kunstmann Verlag

Los Angeles, 1965. Die Stadt brennt. Die Wut der Unterdrückten bricht sich ungezügelt Bahn. Auf seiner gefährlichen und rauschhaft-jazzigen Odyssee durch die Stadt liest Americo Monk im Aufstand der Zeichen die Zeichen der Revolte. Heruntergekommene Wohnblocks, verwitterte Werbetafeln, Hoodoo-Altäre an Häuserecken, Schnapsläden und Barbershops. Americo Monk, Semiotiker und Stadtforscher, ist in den Ghettos von Los Angeles unterwegs. Er …

Paula Irmschler: Superbusen, Claassen-Verlag

Gisela zieht nach Chemnitz, um neu anzufangen. Die Stadt ist für die Anfang zwanzigjährige ein Versprechen. Endlich studieren, sich finden, weg von der Familie und all den anderen Menschen, die sie nicht versteht und die sie nicht verstehen. Ihren Körper und ihre Gedanken aber nimmt sie mit. Doch in Chemnitz gibt es die Freundinnen, die die Welt nicht so akzeptieren wollen wie sie ist. Zusammen gehen sie auf Demonstrationen, betrinken sich, …

Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst, S.Fischer

Eine junge Frau besucht ein Theaterstück über die Wende und ist die einzige schwarze Zuschauerin im Publikum. Mit ihrem Freund sitzt sie an einem Badesee in Brandenburg und sieht vier Neonazis kommen. In New York erlebt sie den Wahlsieg Trumps in einem fremden Hotelzimmer. Wütend und leidenschaftlich schaut sie auf unsere sich rasant verändernde Zeit und erzählt dabei auch die Geschichte ihrer Familie: von ihrer Mutter, die Punkerin in der DDR …

Eileen Myles: Chelsea Girls, Matthes & Seitz

Eileen Myles erzählt ungeschönt und unverblümt davon, wie es war - damals in New York - als alles möglich schien, als Warhol jedem 15 Minuten Berühmtheit versprach, als Allen Ginsberg noch zu deiner Buchpremiere kam, wenn du ihn einludst, als noch alle mit allen im Bett gelandet sind, und es immer irgendjemanden gab, der Alkohol oder Drogen dabei hatte. Doch nicht nur um wilde Eskapaden geht es, sondern auch um die katholische Erziehung in den …

Martin Gross: Das letzte Jahr Aufzeichnungen aus einem ungültigen Land, Spector Books

Der westdeutsche Autor Martin Gross lebte 1990 überwiegend in der DDR, um den Niedergang und die Neugestaltung des Landes aus nächster Nähe zu beobachten. In zahlreichen Alltagsnotizen beschrieb er, wie die Menschen den Wechsel vom alten in das neue System vollzogen. Er porträtierte so unterschiedliche Personen wie den Bewacher eines ehemaligen Stasi-Gefängnisses, den Filialleiter eines der neuen Supermärkte, die Heizer eines Kraftwerks, die …

Andreas Stahl / Katrin Henkelmann u.a. (Hg.): Konformistische Rebellen. Zur Aktualität des autoritären Charakters, Verbrecher Verlag

Zahlreiche Zeitdiagnosen kreisen um den gemeinhin unerwarteten Aufstieg autoritärer Parteien und Bewegungen, der gegenwärtig weltweit zu beobachten ist. Knüpft man indes an die Erkenntnisse der frühen Frankfurter Schule zum autoritären Charakter an, so überrascht die Attraktivität der neuen »falschen Propheten« keineswegs. In rund 20 Aufsätzen diskutieren die Autorinnen und Autoren dieses Sammelbandes das Erklärungspotenzial einer …

Mark Fisher: K-Punk Ausgewählte Schriften 2004-2016, Edition Tiamat

Die meisten Schriften des 2017 verstorbenen Autors Mark Fisher wurden nicht in Büchern, Zeitungen oder akademischen Journalen publiziert, sondern auf seinem Blog k-punk. Hier entwarf und perfektionierte Fisher seine originäre, an der Gegenwart und ihren kulturellen Artefakten orientierten, radikalen und kompromisslosen Theorie. Sowohl ein Roman J.G. Ballards oder Margaret Atwoods, Hollywood-Produktionen wie Batman Begins und Avatar, als auch ein …

James Sturm: Ausnahmezustand, Reprodukt

Wie konnte das passieren? Diese Frage beschäftigt 2016 nach der Präsidentschaftswahl in den USA nicht nur die halbe Welt, sondern auch Mark, der mit dem Zerfall seiner Beziehung fertig werden muss. Zwischen Trauer und Wut, zwischen Lähmung und dem Versuch, sein Leben neu aufzustellen, erlebt der zweifache Vater zärtliche Momente mit seinen Kindern – Vorfreude auf den Weihnachtsmorgen, Kekse nach einem nächtlichen Wutanfall. Hoffnung bleibt …

Julie Doucet: Julie Doucets allerschönste Comic Strips, Reprodukt

Mit ihrer Heftreihe “Dirty Plotte” betrat Julie Doucet Anfang der 1990er-Jahre in vielerlei Hinsicht neues Terrain. Die Verspieltheit ihrer Zeichnungen, ihre Umkehrung und Neufindung von Stereotypen brachen Dämme und öffneten Comics plötzlich auch für ein weibliches Publikum. Und noch wichtiger: Julie Doucet wurde Vorreiterin für viele Zeichner*innen, die das Bild der Comics vollständig veränderten. “Julie Doucets allerschönste Comics Strips” …