Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen Teenager..., Matthes & Seitz
Gudrun Ensslin eine Indianersquaw aus braunem Plastik und Andreas Baader ein Ritter in schwarzglänzender Rüstung? Die Welt des kindlichen Erzählers dieses mitreißenden Romans, der den Kosmos der alten BRD wiederauferstehen lässt, ist nicht minder real als die politischen Ereignisse, die jene Jahre in Atem halten und auf die sich der 13-Jährige seinen ganz eigenen Reim macht. Frank Witzel ist es in dieser groß angelegten fantastischen literarischen Rekonstruktion des westlichen Teils Deutschlands gelungen, ein Spiegelkabinett der Geschichte im Kopf eines Heranwachsenden zu errichten. Erinnerungen an das Nachkriegsdeutschland, Ahnungen vom Deutschen Herbst und Betrachtungen der aktuellen Gegenwart entrücken ihn dabei immer weiter seiner Umwelt. Das dichte Erzählgewebe ist eine explosive Mischung aus Geschichten und Geschichte, Welterklärung, Reflexion und Fantasie: ein detailbesessenes Kaleidoskop aus Stimmungen einer Welt, die ebenso wie die DDR 1989 Geschichte wurde.
»Im Roman übermalt Witzel jenes 'Weiß, das entsteht, wenn Erinnerung reißt', mit der subjektiven Geschichtswahrnehmung des Protagonisten und öffnet Räume, die ein zwischen Fiktion und Fakten changierendes Bild der Nachkriegsgesellschaft zeichnen, ein Bild, das den Zusammenbruch des Teenagers mit dem Verdrängen der nationalsozialistischen Vergangenheit, der Autoritätshörigkeit gegenüber der Kirche und der Paranoia nach Gründung der RAF kurzschließt.« (Jonas Engelmann, jungle world)