Carolin Krahl: Wühlen, Trottoir Noir
Anhand persönlicher Aufzeichnungen und Dokumente erzählt Wühlen von den gegensätzlichen Schwestern Franziska und Kristina Rupp, genannt Franz und Kris. Ihre gemeinsame Freundin Ana versucht, eine Ordnung in die Spiralblöcke, Hefte und Therapieberichte zu bringen, die sie ihr überlassen haben.
Die drei Frauen wurden in den 1980er-Jahren in der sächsischen Kleinstadt Wühlen geboren. Anas Mutter kam als Vertragsarbeiterin aus Polen in die DDR. Franz und Kris erlebten den politischen Umbruch 1989 als familiäre Zäsur. Heute stehen alle drei an einer neuen Bruchkante: Ihre alternativen – und das heißt auch: prekären – Lebensformen werden zunehmend bedrohlich.
Gerade die psychisch Versehrten erkennen hier eine utopische Sehnsucht als Teil ihres Leidens und entwickeln den Willen zu gesellschaftlicher Veränderung. Träume, Utopien und verschwundene alternative Bewegungen um 1990 treffen auf die Zerstörungskraft von Traumata sowie die zermürbende Realität zwischen Gig-Economy und urbanen Verdrängungsprozessen.
Die brüchige Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit findet in der Montage des Textes eine Form. So entsteht aus Berichten und Briefen, Recherchen zur Transformationszeit und Radiobeiträgen ein literarisches Archiv zu feministischen Entwürfen damals und heute, zu DDR und Gegenwart, Punk und Psychiatrie.