testcard #27: Rechtspop, Ventil Verlag
Zukunft statt Vergangenheit, bunt statt braun, Plastik statt Kruppstahl, Spiel statt Arbeit, Mode statt Uniform, Witz statt Härte, Love statt Hass, Individualismus statt Volksgemeinschaft, Sexyness statt Männlichkeit, Rock’n’Roll statt Gleichschritt, Cool statt Kälte … Pop war einmal entstanden inmitten der Trümmer, die Faschismus und Krieg hinterlassen hatten: Mit der Verteidigung einer besseren Welt sollte der Fortschritt wieder in Gang gesetzt werden, um das Leben für alle »different and appealing« zu machen. Doch irgendwann ist Pop scharf rechts abgebogen – die neue Ausgabe der testcard betreibt Ursachenforschung.
Faschismus – das war die geschlossene Gesellschaft des Gehorsams. Pop dagegen galt als antifaschistische Kultur – ohne den Antifaschismus politisch benennen zu müssen, ohne den Antifaschismus gesellschaftlich zu praktizieren; es reichten die entsprechenden Symbole. Was in den 1950ern aus den USA nach Europa kam, schien eine offene Gesellschaft zu versprechen, appellierte an die Mündigkeit – und erlaubte den Jugendlichen einen Ungehorsam, um sich auszuprobieren, um Neues zu wagen, um sich selbst zu entdecken.
Heute haben sich die Zeichen umgekehrt, die Rechte hat den Pop für sich entdeckt. Doch wie ist es zu dieser Bedeutungsentwertung von Popkultur gekommen? Dieser Frage geht die testcard in zahlreichen Artikeln nach.
»›Testcard‹ erinnert daran, dass sich ›nach der sogenannten Wiedervereinigung rechte Inhalte bis in die Mitte der Gesellschaft etabliert haben‹ und bietet Material, um die (ost)deutschen Baseballschlägerjahre zu vergleichen mit dem Heute, in dem lupenreiner Nazirock nur eine Facette unter vielen ist im Patchwork rechter Tribes und Umtriebe, Memes und Musiken, wo sich Alt-Right Gamer, Dirndlrock und Trash-Konsum ohne Reue Gute Nacht sagen, und gleichsam rhizomatisch einem noch diffusen Ziel entgegen-koexistieren, sagen wir: dem rechten Aufstand.« (Klaus Walter, Frankfurter Rundschau)