Albertine Sarrazin: Astragalus, Hanser

Den Sprung von der Gefängnismauer in die Freiheit bezahlt Anne mit einem Bruch des Sprungbeins, des Astragalus. Verletzt schleppt sich die Neunzehnjährige an den Straßenrand und wird dort von Julien aufgelesen. Beide erkennen im anderen die eigene Lebenswelt, die Welt des Knastes, der Kleinkriminalität und verlieben sich: zwei Menschen, unbedingt in ihrem Drang nach Freiheit und zugleich existentiell angewiesen auf die Nähe und den Halt des anderen. Als „L’Astragale“ 1965 in Frankreich erschien, sorgte es für eine Sensation: „Zum ersten Mal spricht eine Frau über ihre Gefängnisse“, schrieb Simone de Beauvoir. Fünfzig Jahre später gilt es, diesen Text in neuer Übersetzung wieder zu entdecken, seine Kraft und seine rauhe Poesie.

»Es ist ein lange verschwundenes Frankreich, das in Sarrazins Geschichte einer Jugend wieder aufersteht. Die düstere, doch auch seltsam unschuldige Welt der fünfziger Jahre: Das Zusammenleben der Großfamilien, winzige Wohnungen ohne Bad, Landleben am Rande der Stadt, billige Hotels, ständiger Alkohol- und Nikotinkonsum, Armut, kleinbürgerlicher Muff und große Hoffnungen. Man fühlt sich erinnert an die frühen Filme Godards und Truffauts, die Photos Robert Doisneaus. […] Doch am stärksten in Erinnerung bleibt die Erzählerin selbst – und ihr unnachgiebiger Wille zum Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung, ungebrochen angesichts aller Niederlagen.« (Hessischer Rundfunk)