J. C. Vogt: Anarchie Déco, Fischer Tor

Babylon Berlin mit Magie: ein historischer Fantasy-Roman aus der Weimarer Republik.
Das Leben im Berlin der Zwanzigerjahre gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Zumal sich die Magie auf der Straße und im Nachtleben breitmacht. Eine Frau verschwindet und taucht wenig später als Steinstatue wieder auf. Nazis machen mit einem aus dem Nichts beschworenen Adler Jagd auf politische Gegner, und selbst das Varieté fügt den ohnehin schon abgefahrenen Nummern ein paar übernatürliche hinzu. Sogar der Reichstag berät über die Möglichkeit einer Wiederbewaffnung mit magischen Mitteln.
Die junge Physikerin Nike Wehner arbeitet nicht nur wissenschaftlich daran, das neue Phänomen zu verstehen, sondern hilft auch der Berliner Polizei bei der Aufklärung magischer Verbrechen. Zur Seite stehen ihr der Bildhauer Sandor Černý und der kurz vor der Pension stehende Kommissar Seidel. Zusammen bilden sie die erste Spezialeinheit einer neuen Magiepolizei.

Das sagen wir:

»Der "Urban-Fantasy-Roman mit Krimielementen" (Zitat Autor*innenduo) spielt im Berlin der 1920er Jahre. Nike Wehner, Physikerin mit ägyptischen Wurzeln, entdeckt ein Phänonem, was in Ermangelung von sprachlichen Erfassens, nur "Magie" genannt werden kann. Bald verbreitet sich die Entdeckung auch unter Nicht-Wissenschaftler*innen, so dass Nike als Beraterin bei der Polizei mysteriöse Fälle, wie das Versinken eines KPD-Funktionärs in Marmor und in Statuen verwandelte Vermieterinnen aus dem Prenzlauer Berg, versucht aufzuklären. Dabei entdecken sie und der anarchistische Künstler Sandor aus Prag das Nachtleben der Stadt in allen Facetten. Während sie immer tiefer in einen Strudel aus politischen Interessen (auch die SA kann zaubern, der Reichstag verlangt Antworten) hineingezogen werden, sind es auch Fragen von Identität, die sie näher an die Lösung der Fälle bringen.
Der Roman ist spannend, toll konstruiert und überrascht mit dem Einbringen von identitätspolitischen Fragen auf eine mühelose Weise. Die politischen Verhältnisse und Vielfalt Berlins vor der NS-Zeit bilden den Hintergrund des historischen Urban-Fantasy-Romans und lassen sich auch als Kommentar auf die heutige Zeit lesen: Non-Binarität, Transidentität, Antisemitismus, Wohnungsnot- und Elend usw. sind ebenfalls Themen, die weiter virulent sind.
FAZIT: "progressive Fantastik" (mit wirklich mal gut beschriebener Sexszene).« (k)